UNESCO-Weltkulturerbe, aktive Fabrik und der erste Industriebau des Bauhaus-Begründers Walter Gropius: Das Fagus-Werk im niedersächsischen Alfeld ist ein architektonisches Wahrzeichen, das die Kleinstadt bei Hannover überregional bekannt gemacht hat. Es gilt als Meilenstein für den „Beginn der Moderne“ in der Industrie-Architektur.
1911 beauftragte der Firmengründer Carl Benscheidt den jungen, weitestgehend noch unbekannten Architekten Gropius mit dem Bau einer Schuhleistenfabrik. Beide waren moderne Vordenker, die die vorherrschenden Arbeitsbedingungen in der Industrie nicht zufriedenstellten. Sie hatten den Anspruch, eine humanistische Produktionsstätte zu errichten statt der zu diesem Zeitpunkt üblichen dunklen, oftmals fensterlosen Bauten. Zusammen mit seinem Mitarbeiter Adolf Meyer entwarf Gropius ein revolutionäres Gebäude, das von Glas und Stahl geprägt ist. Die breiten Fensterfronten sorgen für lichtdurchflutete Innenräume und zusammen mit den stützenlosen, vollständig verglasten Ecken und der vorgehängten Fassade für eine elegante Optik. Die schlichte, reduzierte Ästhetik des Gebäudes ist die Basis, weshalb das Fagus-Werk als Pionierentwurf des Neuen Bauens gilt.
Produktionsstätte mit UNESCO-Siegel
Die für damalige Verhältnisse progressiven Arbeitsbedingungen sind auch heute noch bedeutsam, denn das Fagus-Werk ist das einzige Weltkulturerbe mit aktiver Produktion im Vollbetrieb. Die Mehrheit der Mitarbeiter ist mittlerweile in der Mess- und Brandschutztechnik beschäftigt, aber es werden weiterhin auch Schuhleisten hergestellt. Daher stammt auch der Name Fagus-Werk. Fagus ist die lateinische Bezeichnung für Buche und Buchenholz hatte als traditioneller Rohstoff in der Schuhleistenherstellung ein ganz besonderes Gewicht. Heute haben Kunststoffe diese Rolle übernommen, die geschichtliche Bedeutung bleibt jedoch – genau wie die des Gebäudes selbst.
Deshalb wurde das Werk genau 100 Jahre nach Entstehung 2011 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Fokussiert auf funktionale Industrieästhetik und die Humanisierung des Arbeitsumfelds prägte Walter Gropius mit seinem Erstlingswerk eine neue Stilrichtung und ebnete dem Bauhaus den Weg. Diese starke Verbindung wird natürlich gebührend gewürdigt. Anlässlich des hundertjährigen Bauhaus-Jubiläums wird im Fagus-Werk ein umfassendes Programm geboten, das Ausstellungen, Führungen, Vorträge, Theaterinszenierungen, Lesungen, Konzerte und Filmpräsentationen umfasst. Mehr Informationen zur Veranstaltungsreihe finden Sie hier.
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