Im Jahr 1928 wurde der noch relativ unbekannte Schweizer Architekt Hannes Meyer (eigentlich Hans Emil Meyer, geboren 1889) Nachfolger von Walter Gropius als Bauhaus-Direktor. Auch als Leiter des Dessauer Bauhaus wurde Meyer kaum bekannt, denn nach seiner Ablösung 1930 durch Mies van der Rohe verschwand er quasi im Schatten der beiden berühmten Architektenpersönlichkeiten Mies und Gropius.
Dabei brachte der Sozialist Hannes Meyer ganz neue Ideen ans Bauhaus: So machte er die Orientierung am sozialen Gemeinwohl zum Programm. Nach seiner Parole „Volksbedarf statt Luxusbedarf“ wurden unter Meyer Gebäude auch politisch entworfen, und fortan arbeiteten die Architekten und Designer am Bauhaus gemäß dieser Maxime – bis hin zu den Bildenden Künstlern. Der Unterricht wurde wissenschaftlich-fundiert organisiert. Im Fokus standen eine systematische Bedarfsermittlung, eine minutiöse Funktionsanalyse und eine zweckorientierte Konstruktion.
1930 emigrierte Hannes Meyer nach seiner politisch motivierten Entlassung in die Sowjetunion, die er 1936 verließ. Er ging nach Mexiko, wo er als Leiter eines Instituts für Städtebau arbeitete. Er starb 1954 in der Schweiz. In der Zeit des Kalten Krieges war Hannes Meyer im Zuge der ideologischen Grabenkämpfe rund ums Bauhaus zwischen den Fronten: In den USA prägte Walter Gropius das Bild vom Bauhaus und somit vom „International Style“ des freien Westens, und Hannes Meyer wurde als Kommunist aus der Bauhaus-Geschichte getilgt. Im Osten wurde das Bauhaus als „kosmopolitisch“ abgelehnt – und mit ihm Hannes Meyer als zu bürgerlich-formalistisch.
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