Lernen, weben, weiterentwickeln – die Pädagogin Benita Koch-Otte

Der Lerneifer trieb die ausgebildete Pädagogin 1920 mit 28 Jahren ans Bauhaus. Dort begann sie ein reguläres Studium, half jedoch bald selbst dabei die Lehre vor Ort zu verbessern und assistierte in der Weberei zusammen mit der späteren Bauhaus-Meisterin Gunta Stölzl. Die zweite Hälfte ihres Lebens verbrachte sie an den Bodelschwinghschen Anstalten Bethel in Bielefeld, wo sie die Leitung der Weberei übernahm und unterrichtete.

Benita Koch-Otte wurde am 23. Mai 1892 in Stuttgart geboren. Nach Abschluss der Schullaufbahn begann sie 1911 eine Ausbildung zur Zeichenlehrerin in Düsseldorf, an die sie eine Ausbildung zur Turnlehrerin in Frankfurt und zur Handarbeitslehrerin in Berlin anschloss. Nach erfolgreich abgelegten Prüfungen trat sie 1915 eine Stelle an der Städtischen Höheren Mädchenschule im rheinländischen Uerdingen, heute Bielefeld-Uerdingen, für den Unterricht in besagten Fächern an. Die Lehrjahre reichten der wissenshungrigen Koch-Otte jedoch nicht, deshalb begann sie 1920 zunächst zum Ärger ihrer Familie eine Ausbildung am Bauhaus.

Dort trat sie nach dem obligatorischen Vorkurs in die von Georg Muche geleitete Webereiwerkstatt ein. Um sich selbst weiterzubilden und neue Techniken zu lernen, belegte Koch-Otte gemeinsam mit ihrer Kommilitonin Gunta Stölzl 1922 einen Färbereikurs an der international angesehen Textilfachschule in Krefeld. Anschließend konnten die beiden die bestehende Bauhaus-Färberei ausbauen und ihren Mitschülerinnen in Weimar neues Fachwissen vermitteln. Gleichzeitig begann Koch-Otte als Assistentin in der Webereiwerkstatt zu arbeiten. Nach dem geglückten ersten Kurs kehrten die beiden Freundinnen 1924 nach Krefeld zurück, um sich diesmal an der Seidenwebschule weiterzubilden. Benita Koch-Otte war vielseitig interessiert und entwickelte beispielsweise auch eine funktionale Küche für die große Bauhausausstellung 1923 mit. Die Weberei blieb jedoch Schwerpunkt und Herzensangelegenheit zugleich.

Nach der Auflösung des Bauhauses in Weimar ging Benita Otte zunächst mit nach Dessau, wechselte 1925 aber an die Kunstgewerbeschule Burg Giebichenstein in Halle an der Saale, um dort die Abteilung für Weberei zu führen. Mit Gunta Stölzl hielt sie auch nach der Bauhauszeit regen Kontakt. In Halle traf die Pädagogin 1929 den ehemaligen Bauhaus-Schüler Heinrich Koch wieder, sie heirateten noch im selben Jahr. Heinrich Koch übernahm 1932 die Leitung der Abteilung Fotografie auf der Burg.

Wie alle auf Burg Giebichstein tätigen ehemaligen Bauhäusler wurden Koch-Otte und ihr Mann 1933 von der nationalsozialistischen Regierung entlassen. Gemeinsam siedelten sie nach Prag über, wo nur ein Jahr später Heinrich Koch im März 1934 tödlich verunglückte. Daraufhin kehrte Benita Koch-Otte nach Deutschland zurück und konnte die Leitung der Weberei an den Bodelschwinghschen Anstalten Bethel in Bielefeld übernehmen.

An den damals etwa 100 Webstühlen der Bodelschwinghschen Anstalten arbeiteten viele Menschen mit Behinderung. Neben ihrer pädagogischen und handwerklichen Ausbildung übernahm Koch-Otte als Leiterin zusätzlich die Bewerbung der Produktion und strukturierte die Werkstätten nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten um. Ihr gelang es, zahlreiche Impulse aus ihrer Bauhaus-Zeit in den Werkstattbetrieb einzubinden und unterrichtete noch nach ihrer Pensionierung im Jahr 1957. Im Alter von 83 Jahren starb Benita Koch-Otte am 26. April 1976. Auch dank ihrer jahrzehntelangen Arbeit existiert und floriert die Weberei in Bethel noch heute.

Benita Koch-Otte porträtiert von ihrem Mann Heinrich Koch in den 1920er-Jahren. © public domain/gemeinfrei

Benita Koch-Otte übernahm die Leitung der Weberei an den Bodelschwinghschen Anstalten Bethel in Bielefeld. © v. Bodelschwinghsche Stiftungen Bethel

Nach einem Kurs an der überregional bekannten Krefelder Textilschule konnte Koch-Otte die bestehende Bauhaus-Färberei erweitern und in die Lehre integrieren. © LoggaWiggler/pixabay

Einen Überblick über alle bisher verfügbaren Stories erhalten Sie unter www.interface.com/100stories.

 

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