Nach 1918, in der Zeit der Weimarer Republik, war bezahlbarer Wohnraum Mangelware. Unter anderem wurde das Reichsheimstättengesetz verabschiedet, das die Schaffung von Wohnraum unterstützen sollte, der für breite Bevölkerungsschichten erschwinglich sein sollte. In den Jahren 1926–1928 wurde im Auftrag der Stadt Dessau die Siedlung Törten erbaut, die von Walter Gropius als Musterbeispiel für preisgünstigen Massenwohnungsbau entwickelt worden war.
Die Häuser der Reihenhaussiedlung wurden in unterschiedlichen Varianten erstellt, denn sie waren Teil eines Versuchsprogramms der Reichsforschungsgesellschaft für Wirtschaftlichkeit im Bau- und Wohnungswesen. Unter anderem wurden neue Materialien und Industrieprodukte getestet. Spezialisierte Arbeitsbrigaden errichteten zeitgleich mehrere Gebäude in einem Bauabschnitt – insgesamt gab es drei Bauabschnitte. Direkt vor Ort wurden Bauteile hergestellt, die mit einer kleinen Bahn transportiert und mit Kränen bewegt wurden. Auf diese Weise entstanden 314 Häuser mit Wohnflächen von 57 bis 75 Quadratmetern, alle mit Nutzgärten zur Selbstversorgung.
Kostengünstige, einheitlich gestaltete Lösung
Um möglichst kostengünstig zu bauen, bestanden die tragenden Wände der kubischen Häuser aus vorgefertigten Schlackenbetonhohlkörpern, die Decken aus armierten Stahlbetonträgern. Spiegelbildlich errichtete, außen wie innen helle Doppelhäuser und Gruppen mit vier bis zwölf Einheiten wurden durch vertikale und horizontale Fensterbänder gegliedert. Die ebenfalls vom Bauhaus angebotenen Möbel fanden leider keine Abnehmer.
Ursprüngliche Einheitlichkeit wiederherstellen
Nachdem Bau- und Planungsmängel im Laufe der Zeit beseitigt wurden, ist von der ursprünglichen Harmonie der Siedlung Dessau-Törten nur noch wenig übrig. Lediglich die zu hoch gelegenen Fensterbänder wurden einheitlich verändert. Doch es gibt Hoffnung: Eine Erhaltungs- und Gestaltungssatzung wurde 1994 etabliert, die dafür sorgen soll, dass bauliche Eingriffe in Einklang mit der historischen Substanz durchgeführt werden.
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