Im Jahr 1927 fand in Stuttgart eine durch den Werkbund organisierte Bauausstellung statt, die Lösungen für ein modernes, zukunftsweisendes Wohnen aufzeigen sollte; ein hochwertiges und bezahlbares Wohnen für die gesamte Bevölkerung. Daher lag ein Augenmerk auch auf dem Einsatz kostengünstiger, normierter und flexibel kombinierbarer Baukonstruktionen und -materialien. Es entstand die Weissenhofsiedlung, die als Manifest der Moderne gilt. Ausstellungsleiter war der Werkbund-Vizepräsident und späterer Bauhaus-Direktor Ludwig Mies van der Rohe. Er versammelte die 17 „charakteristischsten Vertreter der modernen Bewegung“ aus Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Belgien und Österreich in der baden-württembergischen Hauptstadt, darunter einige Bauhaus-Persönlichkeiten. Die progressivsten, wenngleich derzeit nur Eingeweihten bekannten Architekten bauten also gemeinsam an einer Siedlung, die ihre Vorstellungen idealtypisch abbildete. Heute zählen die beteiligten Baumeister zu den bedeutendsten des 20. Jahrhunderts: Mies van der Rohe, Walter Gropius, Le Corbusier, Hans Scharoun, Peter Behrens, Bruno Taut, Mart Stam und andere, damals größtenteils jünger als 45 Jahre.
17 Architekten, 33 Meisterwerke
Die Bauausstellung von 1927 war vollkommen neuartig – und keine spätere Werkbundausstellung fand einen so großen internationalen Anklang. In nur circa vier Monaten entstanden 33 voll funktionsfähige kubische Mustergebäude mit Flachdächern, die anschließend als Wohnungen, 63 an der Zahl, vermietet wurden. Neben der Formensprache oder dem typischen Fensterband waren beispielsweise die multifunktionalen Wohnbereiche und Terrassen absolut innovativ, die einem gesunden, flexiblen und freizügigen Leben zu Gute kommen sollten. Das innovative Konzept setzte sich bis zur modernen Küchen- sowie Badausstattung und Haustechnik fort.
Kulturelles Erbe des 20. Jahrhunderts
Im Fokus der Aufmerksamkeit stand Le Corbusier mit seinen sogenannten „Wohnmaschinen“: In dem Doppelhaus kann – analog zu einem Zugabteil – das Wohnzimmer mittels Schiebewänden und -betten in mehrere Schlafzimmer aufgeteilt werden. In dem Gebäude finden Besucher seit 2006 das Weissenhofmuseum. Die Corbusier-Häuser und weitere Bauten in der Weissenhofsiedlung gehören heute zum UNESCO-Weltkulturerbe. Trotz erheblicher Zerstörungen im 2. Weltkrieg wurden viele Bauwerke der Siedlung zerstört. Dennoch zeigt sich das Ensemble auf dem Killesberg den interessierten Besuchern aus aller Welt als außergewöhnliches kulturelles Erbe des 20. Jahrhunderts mit frühen Meisterwerken von großen Architekten der Moderne.
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