„Baukunst ist die räumliche Auseinandersetzung des Menschen mit seiner Umwelt und der Ausdruck dafür, wie er sich darin behauptet und wie er sie zu meistern versteht.“ (Ludwig Mies van der Rohe)
Als der gebürtige Aachener im Jahr 1930 die Leitung des Bauhaus in Dessau übernahm, war Mies van der Rohe im Gegensatz zu seinem Vorgänger Hannes Meyer bereits ein berühmter Avantgarde-Architekt, der jedoch mit der Übernahme dieser verantwortungsvollen Aufgabe das erste Mal eine akademische Lehrtätigkeit ausübte. Zum Generieren von Aufträgen brauchte er das Bauhaus nicht, denn er hatte bereits selbst zahlreiche Projekte realisiert – einige davon in Krefeld.
Messestände
Bereits im Juni 1927 wurde Mies von dem Verein deutscher Seidenwebereien dazu beauftragt, einen Repräsentationsstand für die in Krefeld ansässige deutsche Seidenindustrie zu entwerfen. Die Messe „Die Mode der Damen“ fand zu dieser Zeit in den Messehallen am Berliner Funkturm statt, auf der sich auch der Industrieverband der Öffentlichkeit präsentieren wollte. Zusammen mit seiner Partnerin Lilly Reich entwickelte Mies van der Rohe den Stand als eine ca. 300 Quadratmeter große freie Fläche: Stoffbahnen aus Samt und Seide hingen an geschwungenen sowie geraden Stahlrohren und teilten den Stand in unterschiedliche Bereiche. Dieser wurde nicht nur als Ausstellungsraum genutzt, sondern auch als Café, bestückt mit den Freischwingern und Stahlrohrtischen Mies van der Rohes.
Nur ein Jahr später wurde der ehemalige Bauhaus-Direktor erneut vom Verein deutscher Seidenwebereien engagiert, erneut für die Konzeption eines Messestandes – diesmal für die Weltausstellung in Barcelona, für die er auch das offizielle Empfangsgebäude, den weltberühmten Barcelona-Pavillon, gestaltete.
Haus Lange und Haus Esters
Die Gründer der Vereinigten Seidenwebereien AG Hermann Lange und Josef Esters beauftragten 1927 Mies van der Rohe mit dem Bau ihrer Privathäuser – heute sind sie beide Teil der Kunstmuseen in Krefeld. Mies Vorstellung eines offenen, fließenden Grundrisses konnte er bei diesem Projekt jedoch nur bedingt umsetzen, wohingegen die deckenhohen Fenster im Haus Lange und die dadurch entstandene Aufhebung der Trennung von Innen und Außen eine Weiterentwicklung darstellte. Im Frühjahr 1930 beendete Mies seine Arbeiten an dem Villenensemble.
Färberei- und HE-Gebäude
Ende 1930 zog die Verseidag Ludwig Mies van der Rohe zur Planung eines Büro- und Lagergebäudes mit Shedhalle hinzu. Nur sieben Jahre später erhielt er den Auftrag für den Entwurf des Büros und des Versandhauses des Unternehmens. Das Färberei- und HE-Gebäude der Verseidag beherbergte nach seiner Fertigstellung im August 1931 die firmeneigene Färberei sowie ein Lager für Herren-Futterstoffe. Zudem wurde der zurückhaltende kubische Bau mit einer weißen Putzfassade und einer regelmäßigen Fenstergliederung versehen sowie einem Treppenhaus, vollständig verkleidet mit Bockhorner Klinker. Dieser findet sich auch im Sockel und in der sogenannten Rampe des Gebäudes wieder. Bis zum Jahr 1937 entstanden auf dem Gelände der Vereinigten Seidenwebereien AG weitere Gebäude, die die Formensprache des HE-Gebäudes aufgreifen: Dazu zählt unter anderem das Pförtnerhaus, entworfen von Erich Holthoff, das heute den neuen Showroom von Interface beherbergt.
Wohnung Crous
Auch für diverse Wohnungseinrichtungen erhielt Mies van der Rohe Aufträge: So war er gemeinsam mit Lilly Reich unter anderem für die Einrichtung der Wohnung von Mildred Crous zuständig, einer der Töchter von Hermann Lange. Diese befindet sich in Berlin am Ufer des Teltowkanals zwischen Borstell- und Albrechtstraße. Das Besondere bei der Gestaltung der Wohnung waren die eigens dafür geschaffenen Möbelentwürfe, die einen repräsentativen Querschnitt durch das möbelkünstlerische Werk von Mies van der Rohe und Lilly Reich bilden.
Wenn ein Entwurf ein Entwurf bleibt
Obwohl Mies van der Rohe vieler seiner Ideen und Entwürfe in die Tat umsetzte, gab es auch einige Projekte, die nicht realisiert wurden. 1934 erhielt Mies einen weiteren Auftrag der Familie Lange: Hermann Langes Sohn Ulrich wünschte sich den Bau eines Wohnhauses für seine Familie in der Nähe des Krefelder Golfclubs. Doch nach der Erstellung zweier Entwürfe, konnte die Planung nicht realisiert werden, da durch die nationalsozialistische Neuauslegung des „Verunstaltungsgesetzes“ nur eine bedingte Baugenehmigung vorlag. Auch ein Bürogebäude für die Verseidag wurde nie erbaut genauso wie das geplante Golfclubhaus in Krefeld, dessen Entwurf im Rahmen eines Wettbewerbs entstand. Da der Club jedoch die notwendigen finanziellen Mittel nicht aufbringen konnte, wurde der Entwurf verworfen und stattdessen eine leerstehende Villa in der Nähe der Anlage angemietet.
Im Jahr 2013 wurde der Entwurf für ein Golf-Clubhaus unter der künstlerischen Leitung des belgischen Architekturbüros Robbrecht en Daem am ursprünglich vorgesehenen Standort am Krefelder Stadtrand doch noch verwirklicht. „Mies 1:1 Das Golfclub Projekt“ war ein begehbares Architekturmodell, das rund 13.000 Menschen aus dem In- und Ausland anzog.
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