Die Weberei am Bauhaus – eine legendäre Institution

Als eine der bedeutendsten Kunstschulen der Klassischen Moderne steht das Bauhaus bis heute für eine neuartige Architektur, die Handwerk und Kunst auf innovative Art und Weise zusammenführt. Im Jahr 1919 wurde das „Staatliche Bauhaus“ von Walter Gropius gegründet – in den verschiedenen Werkstätten sollten die Studierenden Wissenswertes über Materialeigenschaften erfahren und sich mit den grundlegenden Methoden der Produktgestaltung vertraut machen. Eine dieser Bauhaus-Werkstätten war die Weberei.

Die Frauenklasse

Obwohl zu dieser Zeit der berufliche Erfolg meistens nur den Männern zustand, hieß es zu Beginn, dass jede ausreichend gebildete Person, unabhängig von Alter und Geschlecht, als Student an der Bauhaus-Schule aufgenommen wird. Dies führte dazu, dass sich im Gründungsjahr in etwa gleich viele Männer wie Frauen bewarben, wogegen sich Walter Gropius dann doch widersetzte. Die Anzahl an Frauen wurde in den folgenden Jahren so gering wie möglich gehalten – ausgenommen der Bereich der Weberei, der als sogenannte „Frauenklasse“ entgegen der Konventionen der damaligen Zeit dem weiblichen Geschlecht eine berufliche Perspektive bot.

Kreatives Gestalten

Unterrichtet wurden die Weberinnen von den Malern Johannes Itten, Paul Klee und Wassily Kandinsky, die ihnen die Farb- und Formensprache näherbrachten. 1920 fusionierte die Weberei mit der Textilklasse und die Studentinnen lernten darüber hinaus Häkeln, Knüpfen, Sticken und Applizieren – die Weberei hatte zu dieser Zeit einen eher künstlerischen Schwerpunkt. Gunta Stölzl, die später die Leitung übernahm und die erste und einzige Bauhaus-Meisterin wurde, experimentierte zu Beginn ihrer Karriere mit den unterschiedlichsten Materialien, wie Metallfäden, Wolle, Papier- und Eisengarn. Heraus kamen innovative Kombinationen, die sowohl optisch als auch haptisch beeindruckten.

Vom traditionellen Handwerk zur industriellen Fertigung

Um auch die Wirtschaftlichkeit der Weberei zu erhöhen, führte Georg Muche, der von 1921 bis 1927 Leiter der Weberei war, industrielle Webtechniken ein. Diese neuen Verfahren ermöglichten die Produktion der bekannten Bauhaus-Stoffe, die bald auch als Meterware erhältlich waren. Ab diesem Zeitpunkt stellten die Weberinnen Dekorationsstoffe, Wand- und Türbespannungen sowie Vorhänge her, die sich für die serielle Produktion eigneten. Für eine moderne Inneneinrichtung durften auch Möbelbezugsstoffe nicht fehlen – die eigens dafür hergestellten Kunstfasern waren kostengünstig produzierbar und eine zu dieser Zeit innovative Entwicklung.

Durch Arbeit zum Erfolg

Dass sich die investierte Arbeit und Mühe schnell lohnte, zeigt die Zahl der Eigentumsrechte an Textilien, die zur Weimarer Zeit bereits bei 900 lag. Die Folge war ein enormer wirtschaftlicher Druck, der dazu führte, dass die in intensiver Handarbeit hergestellten Einzelstücke abgelöst wurden von industriell gefertigter Massenware. Der neue Leitspruch von Gropius lautete ab diesem Zeitpunkt: „Kunst und Technik, eine neue Einheit!“ Auch in den folgenden Jahren wuchs die Anzahl an Aufträgen und es wurden für immer neue Bereiche innovative Textilien entwickelt. Dadurch wurde die Weberei zu einer der erfolgreichsten und produktivsten Werkstätten am Bauhaus.

Textilien von Gunta Stölzl auf einem Marcel Breuer-Stuhl (1922), I, Sailko, CC BY-SA 3.0

Einen Überblick über alle bisher verfügbaren Stories erhalten Sie unter www.interface.com/100stories.

 

 

 

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3 Antworten zu “Die Weberei am Bauhaus – eine legendäre Institution”

  1. Super! Darauf habe ich gewartet!

  2. Maria Klampäckel sagt:

    Danke auch für diesen sehr informativ-aufschlussreichen Beitrag! Meine Großmutter Marianne Mann geb. Gugg hat am Bauhaus in Weimar und in Schweden die Weberei gelernt. Erinnere, dass ich sie in meiner Kindheit (das war in den späten 1950er Jahren in Berlin) auch noch regelmäßig an ihrem großen Webstuhl arbeiteten sah. Jahrzehnte später staunte ich, eines Tages mir aus der Kindheit noch sehr vertraute Muster plötzlich bei Ikea wieder zu sehen – auf Läufern und Teppichen. Es waren eben diese alten schwedischen Muster, die auch meine Großmutter erlernt hatte zu weben.

  3. Sehr interessant, aber auch gut zu wissen, das es bis heute WeberInnen gibt die diese handwerkliche Tradition aufrecht erhalten.
    Ein Beispiel ist die Düsseldorferin Barbara Esser. Schauen sie selbst unter http://www.esserhorn.de

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