Warum spielt Geometrie in der Gestaltung eine so große Rolle?

Geometrie ist ein integraler Bestandteil in allen Bereichen der Gestaltung.

Es lohnt sich, über diesen Satz kurz nachzudenken. Architekten nutzen Geometrie, um Räume zu untersuchen und aufzuteilen sowie um detaillierte Pläne zu entwerfen. Baumeister und Ingenieure greifen auf geometrische Prinzipien zurück, um sichere Tragstrukturen zu schaffen. Und auch für Designer sind Geometrien wichtig, wenn es darum geht, Innenräume ästhetisch ansprechend zu machen. Geometrie ist etwas, das in der gesamten Welt der Gestaltung nicht wegzudenken ist.

Es gibt sehr viele Beispiele für die kreative Anwendung geometrischer Prinzipien – von den kunstvollen Mustern der islamischen Architektur über die komplexen Fraktale in Jackson Pollocks Tropfbildern bis hin zu den klaren Linien moderner Innenräume. Warum bildet Geometrie in so vielen Bereichen die Grundlage unserer Arbeit? Und wie können wir sie auf eine Weise anwenden, die nicht nur unsere Sinne anspricht, sondern die auch gut für unser Wohlbefinden ist?

Die Antwort hierauf ist kurz: Es genügt ein Blick in die Natur.

Natürliche Geometrien

Geometrische Muster finden sich überall in der Natur: z.B. in Ästen, Schneeflocken, Zebrastreifen und Nautilusschalen. Menschen studieren diese Formen bereits seit der Antike, doch erst seit kurzem können wir sie mithilfe der Mathematik, Physik und Chemie auch erklären. Vielleicht sind es dieses Geheimnis und diese Komplexität, die diese Muster so faszinierend machen.

Die am häufigsten vorkommenden natürlichen Muster sind:

  • Symmetrie – die Wiederholung eines Musterelements durch Spiegelung oder Rotation
  • Spiralen – eine kontinuierliche und sich allmählich erweiternde (oder zusammenziehende) Kurve rund um einen zentralen Punkt
  • Fraktale – ähnliche Muster, die sich in immer kleineren Maßstäben wiederholen
  • Parkettierung – Muster, die durch die lückenlose Wiederholung gleichförmiger Teilflächen auf einer Ebene entstehen

Blumen weisen eine natürliche symmetrische Struktur auf.

Bienenwaben zeigen die natürliche Parkettierung kleiner Hexagone.

Dieser Blick auf die Innenseite einer Nautilusschale lässt die innere Spirale erkennen – ein perfektes Beispiel für den Goldenen Schnitt.

Romanesco-Blumenkohl verfügt über ein ausgeprägtes spiralförmiges Fraktalmuster.

Geometrie in der Gestaltung von Räumen

Biomorphe Formen und Muster bringen die Natur in den Inneraum

Forschungen zeigen, dass der Anblick von Natur einen Einfluss auf unsere Psychologie und Physiologie hat. Die gleiche Wirkung erzeugen natürliche Elemente sowie Abbilder, die biomorphe Formen und Muster einsetzen. Beide sorgen für Räume, die als „angenehm [und] faszinierend …“ empfunden werden.1

Diese Art der Verbindung mit der Natur ermöglicht es uns, geometrische Gestaltungsmuster auf inspirierende Weise einzusetzen. Die Vermeidung von rechten Winkeln und geraden Linien im Sinne von mehr organischer Bewegung innerhalb eines Raums, oder die Verwendung von Fibonacci-Folgen zur Erzeugung von Proportionen sind zwei Beispiele für angewandte Geometrie in der Gestaltung.

Von großen, dreidimensionalen Tragstrukturen, die an Bienenwaben erinnern, bis hin zu gestalterischen Details, die das Wachstum von Weinreben nachahmen – biomorphe Formen und Muster erwecken die Natur zum Leben und reduzieren die Stressbelastung in unserer Umwelt. Dies funktioniert im großen Maßstab ebenso gut wie im kleinen.

Welche einfachen Möglichkeiten gibt es, diese Muster des Biophilic Design anzuwenden?

  • Schaffung von Wegeführungen
  • Naturinspirierte Boden- und Wanddesigns
  • Planung von Tragsystemen (Baumstützen, an Äste erinnernde Geländer)
  • Möbelformen

Wo geometrische Formen und Biophilie aufeinander treffen

Geometrie spielt auch beim Biophilic-Design-Muster „Komplexität und Ordnung“ eine Rolle. Auf Grundlage der Forschungen über fraktale Geometrien beschäftigt sich dieses Muster mit unseren Reaktionen auf Fraktale in der Natur, der Kunst und der Architektur.

In Räumen, in denen das Muster Komplexität und Ordnung zur Anwendung kommt, empfinden wir weniger Stress und sind zugleich motivierter. Dies liegt daran, dass sie viele sensorische Informationen bieten, die wir ähnlich auch in der Natur vorfinden – der ideale Punkt zwischen Desinteresse und Reizüberflutung.2

Wie kann das Muster Komplexität und Ordnung in Räumen angewendet werden?

  • sichtbare Tragstrukturen oder Exoskelette
  • modulare Systeme wie z.B. Teppichfliesen, Mehrzweckmöbel oder flexible, multifunktionale Bereiche innerhalb größerer Flächen
  • Architekturornamente und künstlerische Wandgestaltungen

Eine offensichtliche geometrische Gestaltung und auch das Muster Komplexität und Ordnung sind in der islamischen Kunst und Architektur zu finden – z.B. bei den kraftvoll farbigen Kelim-Teppichen, bei marokkanischen Fliesen und in den mit Sternen geschmückten Moscheen.

Fraktale Muster in den Torbögen des Kolosseums in Rom. Foto von David Iliff, Wikimedia Commons

Die Nordrosette der Notre-Dame de Paris. Foto von Julie Anne Workman, Wikimedia Commons

Der Innenhof und das Kuppeldach des British Museum in London sind symmetrisch konzipiert, und die Dachverglasung basiert auf einem geometrischen Muster. Foto von Eric Pouhier, Wikimedia Commons

Ziel der Gestaltung mit diesem Muster ist es, ein bereicherndes Umfeld zu schaffen, das auf dem Verständnis von Symmetrie, fraktalen Geometrien und räumlichen Hierarchien der Natur basiert. Je komplexer ein System ist, desto geordneter erscheint es. Und je geordneter es ist, desto entspannter fühlen wir uns.

Menschen fühlen sich instinktiv zu visuell interessanten Räumen hingezogen. Indem wir die Gesetzmäßigkeiten von komplexen Gestaltungen verstehen und indem wir die Natur als Vorbild nehmen, können wir mehr von dem, was die Außenräume prägt, auch in unser gebautes Umfeld einbeziehen.

 


Referenzen

1 2 Browning, W.D., Ryan, C.O., Clancy, J.O. (2014). 14 Patterns of Biophilic Design. New York: Terrapin Bright Green, LLC.


Literaturhinweise

Hägerhäll, C.M., T. Laike, R. P. Taylor, M. Küller, R. Küller, & T. P. Martin (2008). Investigations of Human EEG Response to Viewing Fractal Patterns. Perception, 37, 1488-1494.

Joye, Y. (2007). Architectural Lessons From Environmental Psychology: The Case of Biophilic Architecture. Review of General Psychology, 11 (4), 305-328.

Kaplan, S. (1988). Perception and Landscape: Conceptions and Misconceptions. In J. Nasar (Ed.), Environmental Aesthetics: Theory, Research, and Applications (pp. 45–55). Cambridge, England: Cambridge University Press.

Salingaros, N.A. (2012). Fractal Art and Architecture Reduce Physiological Stress. Journal of Biourbanism, 2 (2), 11-28.

Stevens, Peter S. (1974). Patterns in Nature. Little, Brown & Co.

Taylor, R.P., (2006). Reduction of Physiological Stress Using Fractal Art and Architecture. Leonardo, 39 (3), 245–251.

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